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IGNORIERT

Xi cc++ entdeckt


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Teilchenphysik

Cern entdeckt ein neues Teilchen. Und jetzt?

Sein Name klingt kryptisch, niemand hatte es je gesehen, doch Physiker ahnten: Es muss es geben. Am Genfer Teilchenbeschleuniger wurde ein  Xi cc++ entdeckt. Was ist das?
Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, dal
 
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Ganz ehrlich? Wie das Partikelchen namens Xi cc++ aussieht, weiß niemand. Diese künstlerische Konzeption stellt dar, wie sich Physiker subatomare Teilchen vorstellen. © CERN/AP/dpa
 

Warum überhaupt nach Teilchen suchen? Weil ohne sie die ganze Idee davon, woraus wir, unsere Erde und unser Universum bestehen, zusammenbrechen würde. Physiker sind überzeugt: Neben Protonen, Neutronen und allerhand anderen bekannten Bausteinen, aus denen alles ist, was wir kennen, muss es weitere Teilchen da draußen geben. Denn sonst hinkt die Theorie. Man könnte nicht erklären, woher zum Beispiel Dinge ihre Masse haben. Etwas, das Forscher Supersymmetrie nennen, wäre ohne die Existenz dieser Teilchen alles andere als symmetrisch.

 

Es war nur 0,0000000000005 Sekunden da

Ein solches neues Teilchen wurde jetzt indirekt nachgewiesen: am Forschungszentrum Cern in Genf, wo der Large Hadron Collider (LHC) steht. In diesem Teilchenbeschleuniger lassen Physiker gezielt Teilchen kollidieren um dann zu beobachten, was entsteht. Für gerade einmal 0,0000000000005 Sekunden muss das neue Teilchen dagewesen sein, berichten die Forscher. Es gehört zur Familie der Baryonen und besteht aus drei sogenannten Quarks – und wurde jetzt im Magazin Physical Review Letters vorgestellt. Nur, was bedeutet das alles? Ein Überblick:

 

Was wurde entdeckt?

Xi cc++. So lautet der Name des Teilchens. Es entstand, indem die Forscher in dem Teilchenbeschleuniger Protonen mit hoher Geschwindigkeit aufeinander schossen. Nachgewiesen haben sie allerdings nicht das Teilchen selbst, sondern die Bestandteile, in die es im Bruchteil einer Sekunde wieder zerfiel.

 

Der Large Hadron Collider (LHC) am Kernforschungszentrum Cern soll helfen, dieletzten Fragen der Physik zu beantworten: Wie fing das Universum an? Woraus besteht es? Was hält es zusammen? Dazu werden in einem 27 Kilometer langen ringförmigen Tunnel Protonen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht. Haushohe Detektoren zeichnen die Spuren jener Teilchen auf, die beim Zusammenstoß entstehen.

Das wichtigste Ziel des LHC war es, zu klären, ob es das Higgs-Boson gibt. Das von manchen zum »Teilchen Gottes« verklärte Partikel war lange Zeit der letzte Bestandteil im Standardmodell der modernen Physik, der noch nicht nachgewiesen wurde. Es erklärt, warum die Dinge überhaupt eine Masse haben. 2012 schließlich haben Physiker erste Hinweise gefunden – mittlerweile ist die Existenz des Higgs-Bosons bestätigt. Peter Higgs und François Englert haben 2013 daher den Nobelpreis in Physik erhalten. Sie hatten die Existenz des Teilchens bereits 1964 theoretisch vorhergesagt.

 

Wo und wie existiert dieses Teilchen um uns herum?

Überall und nirgends. Das Teilchen ist Bestandteil unserer Materie. Es ist allerdings sehr kurzlebig. In den Experimenten der Forscher existierte es gerade mal 0,0000000000005 Sekunden. Man könnte auch sagen: Ziemlich kurz. Immerhin war die Zeit lang genug, um es zu studieren und etwa seine Masse zu bestimmen.   

 

Welche Bedeutung hat diese Entdeckung?

Für den Großteil der Menschheit wohl überhaupt keine. "In unserem täglichen Leben spielt das keine Rolle", erläutert Wilfried Buchmüller, Professor für theoretische Elementarteilchenphysik an der Universität Hamburg und leitender Wissenschaftler am Forschungszentrum DESY.

 

Warum suchen Forscher dann überhaupt danach?

Für Teilchenphysiker ist die Entdeckung durchaus spannend. Sie eröffne ein ganzes Feld neuer wissenschaftlicher Forschung, sagt Giovanni Passaleva, Forschungsdirektor am Cern. So könnten Physiker nun "Partner oder Eltern" dieser Teilchen jagen. "Es ist ein weiteres Puzzleteil, das dazu beiträgt, die bisherigen Modelle und Theorien der Teilchenphysik zu verbessern", sagt auch Buchmüller. Vor allem zum Verständnis der Theorie der starken Wechselwirkungen dürfte das neue Teilchen beitragen. Diese Theorie erklärt grob gesagt, was die Atome in ihrem Innersten zusammenhält.

 

Ist die Entdeckung mit der des Higgs-Bosons vergleichbar?

Nein, das mittlerweile weltberühmte Higgs-Teilchen wurde zwar ebenfalls am Cern entdeckt, viele weitere Gemeinsamkeiten gibt es aber nicht. Das Higgs-Boson ist ein Elementarteilchen, dessen Existenz bereits Jahrzehnte vor seiner Entdeckung vorhergesagt wurde. 2012 wurde es als letztes noch fehlendes Teilchen im Standardmodell der Teilchenphysik nachgewiesen. 2013 erhielten Peter Higgs und François Englert den Physik-Nobelpreis für die Theorie dahinter, stellvertretend für eine Armada an Forschern, die daran gearbeitet hatte. Ohne das Higgs-Boson wäre die Welt unerklärlich.

 

 

Als Elementarteilchen werden all jene Bausteine bezeichnet, die (soweit Physiker wissen) nicht weiter zerlegbar sind.

Das bekannteste Elementarteilchen ist das Elektron, das gemeinsam mit den selteneren Myonen und Tauonen zu den Leptonen zählt. Neben diesen drei Leptonen gibt es noch drei unterschiedliche Neutrinos, die ebenfalls zu den Elementarteilchen zählen. Neutrinos entstehen etwa bei der Kernspaltung in Atomkraftwerken oder bei der Kernfusion in der Sonne.

Darüber hinaus gibt es sechs weitere Elementarteilchen, die Quarks. Aus ihnen bestehen etwa Protonen und Neutronen, aus denen der Kern eines Atoms aufgebaut ist.

Zusammen bilden diese insgesamt 12 Elementarteilchen die Grundbausteine der Materie. Entsprechend gibt es 12 Antiteilchen, die die Antimaterie bilden.

 

 

KRÄFTE

 

Nicht alle Elementarteilchen sind Bestandteil der Materie. Es gibt fünf weitere Elementarteilchen, die als Austauschteilchen Kräfte übertragen.

Das Gluon klebt Quarks im Atomkern zusammen, das Photon vermittelt die elektromagnetische Kraft. W-- und W+- Teilchen sowie Z-Teilchen spielen beim radioaktiven Zerfall eine Rolle.

Insgesamt gibt es daher also derzeit 29 Elementarteilchen, die im sogenannten Standardmodell der Teilchenphysik die Zusammensetzung der Welt erklären.

 

 

 

 
 

Ein möglicher Kandidat für das 30. Elementarteilchen ist das Higgs-Boson, das Forscher mithilfe des Teilchenbeschleunigers LHC im Forschungszentrum Cern nachgewiesen haben.

Nach einer Theorie des britischen Physikers Peter Higgs aus den sechziger Jahren muss ein bislang unbekanntes Feld (Higgs-Feld) alles durchdringen und sämtlichen anderen Elementarteilchen ihre Masse verleihen. Der Physiker erhielt 2013 zusammen mit François Englert für seine Theorie den Nobelpreis.

Physiker vergleichen den Higgs-Mechanismus gerne mit einer Cocktailparty unter Politikern: Zu Anfang sind die Anwesenden gleichmäßig verteilt, doch sobald der Premierminister den Raum betritt, zieht er andere Politiker stark an und sammelt sie haufenartig um sich herum. Bewegt er sich im Laufe der Party durch den Raum, wenden sich ihm ständig neue Zuhörer zu, während andere die Menschentraube verlassen.

So erhält der Premierminister ein größeres Gewicht – und auf ähnliche Weise erzeugt das hypothetische Higgs-Feld die Masse der Elementarteilchen. Eine einst als unveränderlich angesehene Eigenschaft wie die Masse wäre demnach nur dasErgebnis einer Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld – eine seltsame Vorstellung, die aber für Physiker nichts Ungewöhnliches ist.

Mit demselben Bild lässt sich auch eine weitere Folgerung aus der Theorie erklären: Der Cocktailparty-Mechanismus funktioniert nämlich auch, wenn ein Gerücht den Raum durchquert. Darum scharen sich ebenfalls Zuhörer und verleihen ihm so eine (wenn auch flüchtige) Masse. Auf ähnliche Weise soll das Higgs-Feld ein Higgs-Teilchen hervorbringen. Dessen Nachweis ist somit der beste Beleg für die ganze Theorie.

 

 

Das jetzt entdeckte Teilchen hat diese Bedeutung nicht. Aber es ist das erste, das aus zwei schweren und einem leichten Quark besteht – fundamentalen Bausteinen der Materie. Das ist für Teilchenphysiker etwas Besonderes. "Es ist gut denkbar, dass wir in nächster Zeit weitere Teilchen mit anderen Quark-Kombinationen finden", sagt Buchmüller.

Wie sicher ist die Entdeckung?

2015 hatte das Cern schon einmal die Entdeckung eines neuen Teilchens verkündet – damals ging es um ein sogenanntes Pentaquark. Diese stellte sich später jedoch als Messfehler heraus. Entsprechend vorsichtig sind die Wissenschaftler mit neuen Meldungen geworden. Zwar halten sie die Daten für valide – doch auch diesmal ist der Nachweis nur indirekt gelungen. Um zu bestätigen, was sie jetzt gemessen haben, werden die Cern-Forscher versuchen, dasselbe Teilchen aus der Familie der Baryonen wieder und wieder bei Zusammenstößen entstehen zu lassen. Gegen einen Messfehler spricht diesmal zumindest, dass Xi cc++ auch theoretisch schon vorhergesagt wurde. Beim letzten Mal war das anders: Das Teilchen, das sich als Ente entpuppte, war selbst Teilchenphysikern mysteriös vorgekommen.

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