Winters Fragmente - Friedrich Winters - 2951-11-05 "Am Abgrund"
Ich stehe am Abgrund. Gähnend schwarze Leere breitet sich unter mir aus. Abstoßend und anziehend zugleich. Sie lässt mich zurückschrecken und fängt doch meinen Blick ein. Zwingt ihn in sich und entzieht sich ihm. Fesselt ihn ohne ihr Geheimnis zu offenbaren. Haltlos irrt der Lichtkegel meiner Helmlampe durch das Nichts. Mein Gehirn versucht die Schwärze mit etwas sinnvollem zu füllen, wühlt dabei in den verstaubtesten Ecken meines Unterbewusstseins und wirbelt dabei sinnlose Schreckgespinste auf. Unbehagen windet sich durch meinen Körper und ich merke wie sich meine Nackenhaare aufstellen.
Ich schüttele den Kopf und mache mich an den Aufstieg zu meinem Schiff. Es ist kurz vor Sonnenaufgang. Der Aufstieg zieht sich. In zwei Wochen wird der erste Cruise von Nordlicht im Stantonsystem veranstaltet. Was gibt es noch vorzubereiten? Welche Tour bieten wir danach an? GrimHex war eine Option. Aber nach dem Gespräch mit Kjeld Stromanson dem Kommandant einer dort ansässigen Sicherheitsfirma scheint es keine gute Idee zu sein. Das Outlaw-Flair, die Rennen, die Geschichte der Station - daraus ließe sich einiges machen aber Stormanson hat Koras Bedenken bestätigt, dass von den Bewohnern GrimHex keine überbordende Begeisterung über Reisegruppen zu erwarten wäre. Aber ist es ein Wunder? Ninetails, GrimNecks und Hacker, BDTs oder wie sich diese Techies nennen. Alles Menschen die anderswo kaum willkommen sind. Da kann man wohl im Gegenzug auch keine Gastfreundschaft erwarten. Immerhin scheint Stormansons Truppe TYR ein vielversprechender Partner zum Beispiel für onBoard-Security werden zu können.
Ich habe die 400i erreicht. Gehe an Bord. Dusche und esse. Ein Blick auf den Terminplan. In 5 Stunden treffe ich mich auf Port Tressler mit John Brubacker und Nick Cartago um die letzten Details des Scenic Cruise auszuarbeiten. Es lohnt kaum sich hinzulegen. Tausend Dinge schwirren mir durch den Kopf. Dann wieder die Höhle. Targoli. Die Dunkelheit. Wie muss das sein, eingesperrt zwischen Reichtum und Tod. Ich muss raus. Ich schaue aus dem Fenster. Draußen ist es kalt aber klar. In wenigen Augenblicken wird die Sonne aufgehen..
Ich ziehe mich warm an und gehe ein Stück bis zum nächsten Höhenrücken. Dort setze ich mich hin. Hinter liegt mir die Höhle. Der Abgrund. Ich drehe mich nicht um. Vor mir erhebt sich die Sonne. Ich sehe die schneebedeckte Ebene. Spüre Stantons Strahlen im Gesicht. Kalte Luft füllt meine Lungen. Es riecht nach Schnee. Lange bleibe ich sitzen. Es ist wunderschön. Ich lebe.
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