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Winters Fragente - Gabriel Winter - Eine neue Heimat


NordlichtEins

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 Sie nennen mich Husky. Es sind die Augen. Heterochromia iridis. Links braungrün wie die Wälder von Noble wo ich geboren wurde. Rechts hellblau wie ein klarer Winterhimmel.

Meine Mutter meinte immer, dass ich meine Heimat in den Augen bei mir trage. Das klingt schön. Aber ich habe eine neue Heimat und sie ist schwarz - pechschwarz.

Es ist Zeit für einen Neuanfang.



Husky lehnte sich im Pilotensitz zurück. Die Sitzschale schmiegte sich perfekt an ihn und doch war ihm unbehaglich zumute. Er ließ die 315P herumschwingen und rückwärts weiter driften. Nun sah er die grün-blau leuchtende Kugel mit ihrer schimmernden Atmosphäre vor sich. Kaum merklich schrumpfte sie während er sich immer weiter von ihr entfernte. Dort unten lag seine alte Heimat, seine Vergangenheit.  Diese seltsam anmutende Abfolge all jener Ereignisse, welche sich sein Leben nannte. Die Sehnsucht aus all dem auszubrechen war immer größer geworden. Das Krankenhaus mit seinen Räumen, dem Essen, dem Training, den Tests, den Medikamenten, er hatte es nicht länger ausgehalten. Er dachte sie würden ihn aufhalten, fühlte sich eingesperrt und überwacht. Doch als er dem Arzt sagte er müsse weg, sofort, dankte ihm dieser nur und ließ ihn gehen. Und nun?

Noble wurde kleiner und kleiner. Die Euphorie des Aufbruchs, das triumphierende Gefühl von Freiheit, dass ihn überwältigt hatte, als ihn der Dragon Silver STC aus der Atmosphäre katapultierte war verflogen. Er war frei. Er war allein.

Husky betrachte sein transparent verzerrtes Spiegelbild auf der Cockpitverglasung. Bleich und etwas hager. Die zerzausten schwarzen Haare und der kurze Bart unsichtbar vor dem von Sternen durchwobenen Nichts des Alls.

Er konnte Orte und Personen hinter sich lassen. Doch diesen Kerl, der ihm dort aus der Unendlichkeit entgegen starrte, den würde er nie los werden. "Gabriel Winters." er schaute weiter auf sein Spiegelbild als erwartete er eine Antwort.

Unvermittelt schüttelte er den Kopf, drückte ein paar Knöpfe und Musik erfüllte das Cockpit.  Er ließ das Schiff erneut rotieren und synchronisierte Blickrichtung und Bewegungsvektor, dann gab er vollen Schub.

Die Beschleunigung entriss ihn aus dem Klammergriff der Selbstverachtung und trieb ihn an den Rand der Bewusslosigkeit. Er verlor sich einen Moment in dem ziellosen Adrenalinrausch, kaum mehr wissend wer er war noch wo. Husky genoss es. Alles um ihn verschwamm, während rohe Gewalt ihn vorwärtskatapultierte. Dann war es plötzlich wieder ruhig. Die Shadowfax hatte auf Cruise Speed beschleunigt. Kaum etwas zeugte noch von der abwitzigen Geschwindigkeit mit der die 315P nun dahinglitt. Husky fühlte sein Herz hämmern. Die Euphorie war zurück. Er drehte die Musik noch lauter und löste sich aus dem Pilotensitz.

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Die folgenden Tage vergingen in einem Rausch der Freiheit. Kreuz und Quer trieb es ih durch das ganze Ellis System. Immer vertrauter wurde er mit seinem Schiff testete Grenzen und erweitertete sein fliegerisches Können. Auch wenn er Stunden hinter dem Steuerknüppel verbrachte, die meiste Zeit verbrachte er mit Wanderungen auf den Monden, stundenlang ließ er Kopf und Füßen freien Lauf. Aus Tagen wurden Wochen, aber während seine Füße ihn verlässlich auf fernsten Gipfel trug führte ihn sein Kopf immer öfter zu den Abgründen seiner Seele.

Während er durch die Weiten des Alls flog, verlor sich das Hochgefühl der Freiheit und er verspürte mehr und mehr eine ziellose Unverbindlichkeit. Sie waberte durch seinen Verstand und vernebelte alle Freude mit einer trüben Sinnlosigkeit.

Und noch etwas schlich sich durch den undurchdringlichen Dunst in seinem Bewußtseins. Es hielt sich verborgen. Doch Husky kannte diese Begleiterin nur zu gut. Seit mehr als zehn Jahren verfolgte sie ihn. Sie schimmerte in den traurigen Augen seines Vaters, legte sich in die Stimmen seiner Großeltern und schlich um seinen kleinen Bruder wann immer er ihn sah. Erst hatte er versucht sie mit seiner Trauer und seinem Schmerz zu verdeckten, dann hatte er versucht sie in seinem Selbstmitleid zu ersticken. Doch sie blieb. Er hatte alles und jeden ausgesperrt, seine Gefühle verleugnet. Doch sie blieb.

Nun hatte er versucht alles hinter sich zu lassen. Aus allem auzubrechen. In der Weite des All würde er sich von ihr entfernen. Im Rausch dahinjagen, unerreichbar für sie. Sein Leben sollte wie ein Traum sein in dem sie verblasste. Doch nun hatte sie ihn geweckt.

Die Schuld war da. Seine Mutter war tot. Es war seine Schuld. Er konnte sie nicht von sich weisen, nicht verleugnen, nicht umdeuten. Sie blieb was sie war, seine Schuld und er war nicht bereit sich selbst zu vergeben.

Husky ließ sich auf einen Felsbrocken sinken. Er war auf einem felsigen Mond. Die Nacht war hereingebrochen. Er weinte lange. Dann schlief er ein.

Das Piepen seines Anzuges weckte ihn.



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